Das Modell der Diversity-Dimensionen dient dazu, die Vielfalt von Mitarbeitenden in einer Organisation oder Institution – wie etwa einer Kommunalverwaltung – sichtbar zu machen. Die sogenannte „Innere Dimension“ (auch „Kerndimension“ genannt) enthält die nachfolgend beschriebenen Identitätsmerkmale. Mit Ausnahme der Merkmale „Aussehen“ und „Soziale Herkunft“ entsprechen sie den durch die EU?Gleichbehandlungsrichtlinien und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützten Merkmalen.
Ein wichtiger Aspekt des zugrundliegenden Diversity-Ansatzes ist, dass sich Menschen aufgrund dieser Merkmale zwar unterscheiden können, sie aber zeitgleich in anderen Aspekten Gemeinsamkeiten teilen. Jedes Merkmal beschreibt nie die gesamte Identität einer Person – vielmehr ist es in sich vielfältig und steht immer in Verbindung und Wechselwirkung mit anderen Zugehörigkeiten.

Die hier beschriebenen Merkmale sind nicht neutral, sondern gesellschaftlich geprägte und historisch gewachsene Kategorien. Ihre Interpretation, gesellschaftliche Anerkennung und Wertung werden durch Zuschreibungen, Erwartungen und gesellschaftliche Rahmenbedingungen beeinflusst. Sie können sich im Laufe der Zeit und je nach gesellschaftlichem Kontext verändern.
Die Zugehörigkeit zu einzelnen Merkmalen bzw. die Zuschreibung einer solchen, wirkt sich darauf aus, wie Menschen und ihr Tun wahrgenommen, bewertet und behandelt werden. Je nach gesellschaftlicher, rechtlicher oder struktureller Anerkennung hat dies direkten Einfluss auf Teilhabe, Sichtbarkeit, Ressourcen und Entscheidungsspielräume einzelner Personen oder auch Gruppen.
Aussehen
Das Aussehen ist ein prägendes Merkmal im zwischenmenschlichen Kontakt. Es umfasst sowohl körperliche Merkmale wie Körperform, Gewicht, Hautfarbe oder sichtbare Behinderungen als auch veränderbare Aspekte wie Kleidung, Frisur oder den Einsatz von Hilfsmitteln wie Brillen, Gehhilfen oder Prothesen. Diese äußeren Merkmale beeinflussen stark, wie Menschen wahrgenommen und beurteilt werden, vor allem beim ersten Eindruck. Diese Bewertungen wirken in vielen Lebensbereichen, etwa im Berufsalltag, in Beratungssituationen oder im sozialen Miteinander.
Behinderung und chronische Erkrankung
Behinderung und chronische Erkrankung sind Teil gesellschaftlicher Vielfalt, auch wenn sie oft unsichtbar bleiben oder tabuisiert werden. Die Begriffe behindert und Behinderung werden von vielen Betroffenen bewusst als (politische) Selbstbezeichnung verwendet. Ziel ist es dabei, den Fokus von der einzelnen Person und ihren vermeintlichen Fähigkeiten auf gesellschaftliche, rechtliche, strukturelle und bauliche Barrieren zu verschieben. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Beeinträchtigung (der körperlichen oder psychischen Seite der Behinderung) und Behinderung, die erst entsteht, wenn diese Beeinträchtigung auf gesellschaftliche Barrieren trifft. Wer von behindert spricht, macht sichtbar: Nicht die einzelne Person ist das Problem – sondern eine Gesellschaft, die nicht für alle mitgedacht ist.
„Ethnische“ Zugehörigkeit
Unter „ethnischer“ Zugehörigkeit versteht man die Selbst- und Fremdzuschreibung von Menschen in Gruppen aufgrund (vermeintlich) gemeinsamer z.B. kultureller, sprachlicher oder historischer Merkmale und Praktiken. Die Zuordnung dient der Herstellung von Differenz zu anderen Menschen oder Gruppen, um die Identität der eigenen Gruppe zu stärken. Der zugrundeliegende Begriff der „Ethnie“ bzw. „ethnisch“ wird dabei nicht nur aufgrund seiner Bezüge zur Kolonialgeschichte kritisch diskutiert. Auch heute noch wird dieser zur Markierung von Menschen und Gruppen verwendet und Ausgrenzung und Rassismus damit legitimiert. So werden Menschen aufgrund von „Hautfarbe“, Name, Sprache oder vermuteter Herkunft als „anders“ oder „fremd“ wahrgenommen und bewertet. Solche Zuschreibungen können sich auf viele Lebensbereiche auswirken, etwa auf den Zugang zu Wohnraum, Arbeit, Bildung oder gesellschaftlicher Teilhabe.
Geschlecht und geschlechtliche Identität
Beim Eintrag in das Personenstandsregister haben Menschen in Deutschland mittlerweile die Möglichkeit, zwischen vier Optionen zur Angabe des Geschlechts zu wählen: divers, männlich, ohne, weiblich. Das alltägliche und berufliche Miteinander ist aber nach wie vor stark von einer binären Geschlechterordnung, d.h. „männlich“ und „weiblich“, und den damit verbundenen Geschlechterrollen geprägt. Geschlecht ist dabei keine rein biologische Eigenschaft, sondern umfasst auch das soziale Geschlecht (Gender), also die persönliche Geschlechtsidentität oder das geschlechtliche Selbstverständnis. Es gibt vielfältige geschlechtliche Identitäten – darunter inter*, trans*, nicht-binäre etc. Personen. Vorstellungen von Geschlecht entstehen durch Erziehung, Kultur, Sprache und soziale Normen.
Lebensalter
Das Lebensalter eines Menschen ist mehr als eine biologische Zahl. Es umfasst persönliche Erfahrungen und gesellschaftlich geprägte Vorstellungen und Erwartungen davon, wie jemand in einem bestimmten Abschnitt des Lebens „sein“ oder „sich verhalten“ sollte. Menschen werden häufig in Alterskategorien eingeteilt, etwa als „jung“ oder „alt“. Damit sind bestimmte Erwartungen verbunden, z.B. was ihnen zugetraut wird, wie sie sich verhalten sollen und was als „passend“ für ein bestimmtes Alter gilt. Solche Zuschreibungen entstehen in Erziehung, Kultur, Politik und Medien. Sie beeinflussen, welche Möglichkeiten Menschen in verschiedenen Lebensphasen haben – und wie ihre Fähigkeiten oder Beiträge eingeschätzt werden.
Religion und Weltanschauung
Religion und Weltanschauung prägen, wie Menschen ihr Leben deuten, gestalten und begründen. Sie können Einfluss haben auf Wertehaltung, Verhaltensweisen sowie Welt- und Menschenbilder. In Deutschland gelten christlich geprägte Normen oft noch als stillschweigende Referenz. Über andere Glaubensformen oder weltanschauliche Überzeugungen gibt es meist wenig Wissen aber zum Teil viele Vorurteile. Wer seine Überzeugungen sichtbar macht (sei es durch religiöse Symbole oder durch die bewusste Ablehnung religiöser Zugehörigkeit) wird nicht selten negativ bewertet, hinterfragt oder sogar ausgegrenzt. Konflikte entstehen dabei häufig nicht durch den Glauben selbst, sondern durch mangelnde Sensibilität und fehlende Strukturen für einen respektvollen Umgang mit religiöser und weltanschaulicher Vielfalt.
Sexuelle Orientierung und Identität
Sexuelle Orientierung beschreibt, zu welchen Geschlechtern sich eine Person emotional, romantisch und/oder sexuell hingezogen fühlt, etwa zum jeweils anderen Geschlecht im Sinne der gesellschaftlich normierten Zweigeschlechtlichkeit (hetero-), zum gleichen (homo-), zu mehreren (bi-), unabhängig vom Geschlecht (pan-) oder zu keinem (asexuell). Eng damit verknüpft ist die sexuelle Identität, also das persönliche Selbstverständnis darüber, wen man liebt oder begehrt und wie man sich in Bezug auf diese Gefühle einordnet. Sie kann sich im Laufe des Lebens entwickeln, verändern oder bewusst gefestigt werden. Um die Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Lebensweisen sichtbar zu machen, hat sich der Sammelbegriff LGBTQIA+ etabliert: Er steht für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, queere, inter und asexuelle Menschen sowie weitere Identitäten.
Soziale Herkunft
Soziale Herkunft beschreibt die sozialen und ökonomischen Voraussetzungen, in die Menschen hineingeboren werden, etwa den Bildungsstand und die Berufe der Eltern, das Haushaltseinkommen, die Wohnsituation oder den Zugang zu Netzwerken und Kontakten. Diese Startbedingungen beeinflussen früh, welche Bildungschancen eine Person hat, welche Berufe erreichbar erscheinen und wie leicht gesellschaftliche Teilhabe gelingt. Auch das Wissen um unausgesprochene Regeln spielt eine Rolle. Wenn Menschen nicht über das „richtige“ Auftreten, den „passenden“ Hintergrund oder die erwartete Ausdrucksweise verfügen, wird ihr Wissen oder ihre Kompetenz schnell infrage gestellt – häufig ohne die tatsächlichen Fähigkeiten wirklich zu kennen. Solche Zuschreibungen festigen ein gesellschaftliches Bild, in dem bestimmte Gruppen und Lebensweisen als vorbildlich, erfolgreich oder leistungsfähig gelten, andere hingegen als problembehaftet oder „nicht anschlussfähig“.
Vielfalt mitdenken und aktiv gestalten
Die hier beschriebenen acht Merkmale zeigen einen Teil der Vielfalt auf, die Verwaltungen intern und in der Zusammenarbeit mit Kundinnen oder Partnerinnen erleben. Das Erkennen dieser sowie die Reflexion ihrer möglichen Auswirkungen und Chancen bieten eine Grundlage, um unterschiedliche Lebenslagen und Bedürfnisse zu berücksichtigen und ein vielfaltsorientiertes Miteinander zu gestalten.
Damit verbunden ist auch eine Verantwortung der Verwaltung: Es geht nicht nur darum, Vielfalt anzuerkennen oder sichtbar zu machen, sondern aktiv zur Chancengleichheit und zum Abbau von Ungleichheiten beizutragen – durch gerechte Verfahren, barrierefreie Zugänge und eine diskriminierungskritische Praxis. In ihren verschiedenen Rollen als Dienstleisterin, Arbeitgeberin etc. haben sie dafür große Gestaltungsspielräume.
Weitere Informationen:
Abdul-Hussain, Surur und Hofmann, Roswitha (2013): Dimensionen von Diversität: https://erwachsenenbildung.at/themen/diversitymanagement/grundlagen/dimensionen.php
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2024): Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/AGG/agg_gleichbehandlungsgesetz.pdf?__blob=publicationFile
Charta der Vielfalt (2025): Vielfaltsdimensionen https://www.charta-der-vielfalt.de/vielfaltsdimensionen
Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V.: Glossar https://www.idaev.de/recherchetools/glossar